Beabsichtigter Berufs- oder Geschäftsbedarf als Kündigungsgrund

Rechtliche Einordnung

Der Vermieter kann einen Wohnungsmietvertrag hauptsächlich nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Als berechtigtes Interesse bezeichnet das Gesetz bereits 3 Kategorien:

  1. der Mieter hat seine vertraglichen Pflichten schuldhaft und nicht unerheblich verletzt.
  2. der Vermieter benötigt die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts (Eigenbedarfskündigung)
  3. der Vermieter wird durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und würde dadurch erhebliche Nachteile erleiden (wirtschaftlichen Verwertungsinteresse).

Bei den drei genannten Kategorien handelt es sich um gesetzliche Konkretisierungen der Generalklausel. Damit erklärt der Gesetzgeber, war er als „berechtigtes Interesse“ versteht. Daher kann ein Kündigungsgrund auch dann vorliegen, wenn er oberflächlich nicht in einer der genannten Kategorien hineinpasst. Dies wurde von der Rechtsprechung beispielsweise angenommen, wenn der Vermieter die Räume benötigte, um sie für die eigene Berufstätigkeit nutzen zu wollen. Dieser Grund findet sich zwar nicht in den drei genannten Kategorien des Gesetzes. Er sollte aber über die Generalklausel als weiterer vierter Grund anerkannt sein. Hiernach konnte der Vermieter bereits kündigen, wenn er in den Räumen seine eigene Kanzlei einrichten wollte. Gegen einen solchen Automatismus wendete sich jedoch nun der Bundesgerichtshof.

 

Der Rechtsfall

Im zu entscheidenden Fall kündigte der Vermieter die Mietwohnung. Begründet wurde dies mit dem Raumbedarf des Ehemanns, der die Räume für sein Beratungsunternehmen benötigte. Dieses betrieb er bereits in anderen Räumen in dem gleichen Anwesen. Die Kapazitäten dort waren jedoch erschöpft. Er benötige die Wohnung um sein Archiv und einen Arbeitsplatz dort einzurichten. Beide Vorinstanzen akzeptierten diesen Kündigungsgrund.

 

Die Entscheidung

Beide Vorinstanzen vertraten die Ansicht, dass ein berechtigtes Interesse zur Kündigung vorliegen würde. Der Kündigungsgrund für einen  Berufs- oder Geschäftsbedarf sei vergleichbar mit dem gesetzlich geregelt Eigenbedarf. Hiergegen wendete sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.3.2017, Az.: VIII ZR 45/16.

Der BGH entschied, dass es – entgegen einer verbreiteten Praxis – nicht zulässig ist, den Berufs- oder Geschäftsbedarf als ungeschriebene weitere Kategorie eines typischerweise anzuerkennenden Vermieterinteresses an der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses zu behandeln. Die Gerichte müssen vielmehr im Einzelfall feststellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Das Gesetz versucht einen Ausgleich zwischen dem Erlangungswunsch des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters herzustellen.  Durch die drei im Gesetz genannten Typisierungen wird dem Erlangungswunsch des Vermieters der Vorrang eingeräumt. Dies ist eine politische Entscheidung. Ein gewerbliches Nutzungsinteresse des Vermieters ist aber weder ein Eigenbedarfsgrund noch ein Grund im Sinne einer wirtschaftlichen Verwertung gem. § 573 II Nr. 3 BGB.

Der Kündigungsgrund muss sich daher an der Generalklausel messen. D. h. der Vermieter braucht ein berechtigtes Interesse. Dies muss das Gericht im Einzelfall feststellen. Hierbei müssen die beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien miteinander abgewogen werden.

Der BGH sieht im vorliegenden Fall  eine größere Nähe zur Verwertungskündigung, die bereits in § 573 II Nr. 3 BGB geregelt ist. Denn der Ehegatte möchte die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen. Dagegen würde eine größere Nähe zum Eigenbedarf vorliegen, wenn der Vermieter in den Räumen überwiegend seiner geschäftlichen Tätigkeit nachgehen will. Angesichts des Umstands, dass der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden soll, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen. Dies ist etwas dann anzunehmen, wenn die geschäftliche Tätigkeit andernfalls nicht rentabel durchgeführt werden könnte.

Im zu entscheidenden Fall will der Ehemann jedoch sein Archiv in die Mietwohnung ausdehnen. Diese besteht aus teilweise dreißig Jahre alten Akten. Es sei nicht vorgetragen, warum diese Akten nicht weiter entfernt gelagert werden könnte. Es sei auch nicht vorgetragen, warum der Vermieter einen erheblichen Nachteil erleidet, wenn er die Wohnung nicht wie angegeben nutzen kann.

Der Vermieter konnte also kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses vortragen. Daher war die Kündigung des Mietverhältnisses rechtswidrig.