Die Kunst des saldierens… Fortsetzung

In meinem Beitrag vom 06.01.2016 berichtete ich bereits über eine Entscheidung des AG Hanau zur Zulässigkeit einer Saldoklage.

 

Das Landgericht Frankfurt am Main konnte sich als Berufungsinstanz nunmehr in einem weiteren Fall mit Urteil vom 14.02.2017 (Az.: 2-11-S 61/16) ebenfalls mit dieser noch unentschiedenen Frage zur Saldierung beschäftigen. Das Gericht stellte sich hierbei auf die Seite des AG Hanau und sah in einer Saldoklage, die mehrere nicht gleichartige Forderungen geltend machte, ein unzulässige Klageerhebung. Der Vermieter konnte seine Rechtsauffassung damit nicht verteidigen.

 

Was war geschehen:

Die klagende Vermieterin, eine große Wohnungsgesellschaft (bzw. die größte in Deutschland), begehrt mit ihrer Klage ausstehend Zahlungen aus dem Zeitraum Oktober 2013 bis April 2015. Das Mietverhältnis war bereits beendet. Das Mietkonto wies vier unterschiedliche Anspruchsarten auf, welche dem eingeklagten Saldo zugrunde lagen. Es handelte sich hierbei um Nettomieten, Betriebskostenvorauszahlungen für mehrere Monate, Heizkostennachzahlungen und Mahngebühren, sowie diverse Zahlungseingänge und Gutschriften aus Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2013 und 2014. Die Klägerin verzichtete darauf, die Zahlungseingänge und Gutschriften konkreten Rückständen zuzuordnen. So hätte beispielsweise ein Zahlungseingang für einen laufenden Monat zunächst die aktuelle Vorauszahlung tilgen müssen, sodann die aktuelle Mietforderungen und danach etwaige Rückstände.

 

Da die Klägerin auf diese arbeitsintensive Verrechnung verzichtete und schlicht alles Zahlungen in ein Konto einstellte, war es in der Klage nicht mehr nachvollziehbar, welche Ansprüche der Klägerin nunmehr Gegenstand der Klage sein sollen. Diese aber ist eine grundlegende Voraussetzung einer Klageschrift. Die Vermieterin wollte es stattdessen den Gerichten überlassen, selbst eine Tilgungsreihenfolge für alle Rückstände der letzten Jahre vorzunehmen. Dies verweigerte das Gericht zu recht! Die Klage war nicht nur unbegründet. Die Klage war bereits unzulässig!

 

Darüber hinaus bestätigte das Gericht die Rechtsauffassung, dass eine Abrechnung auf Sollzahlungsbasis nicht möglich ist. Diese bedeute, dass der Vermieter im Rahmen der Betriebskostenvorauszahlungen bei Eintritt der Abrechnungsreife aus dem Mietkonto sämtliche Vorauszahlungen aus dem Abrechnungsjahr ausbuchen muss und sodann nur noch den Abrechnungsbetrag verlangen kann. Überschreitet der Vermieter die Frist zu Abrechnung (12 Monate nach Ablauf des Abrechnungsjahres) kann er keine Nachforderungen mehr geltend machen. Auch fehlende Vorauszahlungen kann der Vermieter in diesem Fall nicht mehr einfordern. Hieraus folgt zweierlei: Vorauszahlungen sollten zeitnah eingefordert werden. Zudem sollte die Abrechnungsfrist unter keinen Umständen überschritten werden.

 

Das Berufungsgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 

Das Urteil fordert ein grundlegendes Umdenken bei großen Vermietergesellschaften. Die bisherige Abrechnungspraxis durch das führen eines Mietkontos und dem saldieren der Zahlungen ist nicht mehr gerichtsfest. Eine hierauf gestützte Klage kann keinen Erfolg mehr haben, wenn sich mehrere unterschiedliche Anspruchsarten in dem Mietkonto befinden oder gar Abrechnungsreife für einigen Betriebskostenvorauszahlungen eingetreten ist. Kleiner Vermieter sind hiervon weniger betroffen, da diese in der Regel keine kaufmännischen Mietkonten führen. Für große Vermieter bedeutet die Führung eines Mietkontos und die Saldierung der Zahlungen eine Arbeitserleichterung, jedoch auf Kosten der Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Dies dürfte zukünftig auf der Basis dieses Urteils nicht mehr möglich sein.

 

Folgende Gerichte vertreten nunmehr die gleiche Rechtsauffassung: LG Kempten, Urteil vom 22. Februar 2017, Az.: 53 S 1283/16; LG Dortmund, Beschluss vom 18. Mai 2015, Az.: 1 S 47/15.