Kleiner Unterschied mit großer Wirkung! Oft sieht man in Vertragsunterzeichnungen von Mietverträgen oder bei Kündigungen, dass Unterschriften mit dem Zusatz „i. A.“ oder mit „i. V.“ abgegeben werden. Vielfach machen sich die Vertragsparteien hierüber keine Gedanken oder die Bedeutung dieser beiden Buchstaben wird sogar verwechselt. Eine Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 07.11.2018 (Az.: 26 O 66/18) macht darauf Aufmerksam, welche schlimmen Folgen diese Unachtsamkeit haben kann.
Die Parteien schlossen einen Gewerberaummietvertrag über eine Hof- und Gartenfläche zur Nutzung als Restaurant und Biergarten. Dabei wurde eine Mietzeit vom 15.7.2011 bis 30.6.2021 vereinbart. Durch einen Nachtrag vom 09.02.2012 wurden zwei weitere Parteien als Mieter aufgenommen. Der Mietvertrag wurde auf Seiten des Vermieters von seiner Verwalterin durch eine Person mit dem Zusatz „i. A.“ unterschrieben. Auch der Nachtrag wurde von einer Person der Verwalterin mit dem Zusatz „i. A. S.“ unterschrieben. Das Grundstück wurde verkauft. Die neue Vermieterin kündigte mit Schreiben vom 3.11.2017 das Mietverhältnis zum 30.6.2018 mit der gesetzlichen Frist und somit drei Jahre vor dem vertraglich vereinbarten Ende.
Die Vermieterin vertrat die Auffassung, dass der Mietvertrag ohne Einhaltung der Schriftform geschlossen wurde. Die Unterschriftenleistung mit dem Zusatz „i. A.“ erfüllt nicht die Anforderung an die gesetzliche Schriftform. Damit ist die Befristungsabrede unwirksam und das Mietverhältnis kann mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.
Das Landgericht gibt der Räumungsklage statt. Die neue Vermieterin kann das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen. Hiernach kann der Mietvertrag spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahrs gekündigt werden, also mit einer Frist von 6 Monaten zu jedem Kalendervierteljahr.
Der Mietvertrag ist nicht bis zum 30.6.2021 fest geschlossen, sondern als Mietvertrag auf unbestimmte Zeit zu behandeln. Ein Mietvertrag der auf unbestimmte Zeit geschlossen wird kann mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden. Das Gesetz verlangt, dass ein auf eine bestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag unbedingt in schriftlicher Form abgeschlossen werden muss (Schriftform). Ein Mietvertrag der nicht in schriftlicher Form abgeschlossen wurde läuft auf unbestimmte Zeit. Er kann mit der gesetzlichen Kündigungsfrist jederzeit (grundlos) gekündigt werden. Die Schriftform ist nur gewahrt, wenn die Vertragsparteien den Mietvertrag selbst unterschreiben oder aber ein Vertreter in ihrem Namen unterschreibt (i. V.). Der Unterzeichnende übernimmt mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt des Vertrages.
Hiervon ist der Bote abzugrenzen (i. A.). Der Bote übernimmt nicht die Verantwortung für den Inhalt des Vertrages. Er übermittelt lediglich (als Bote) eine Erklärung seines Auftraggebers. Wenn ein Bote jedoch einen Vertrag unterzeichnet, wird die gesetzliche Schriftform hierdurch nicht gewahrt. Der Vertrag ist somit nicht für eine bestimmte Zeit geschlossen worden und kann jederzeit mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden.
Bsp.: Die Unterscheidung zwischen Boten und Stellvertreter ist schwer verständlich. Folgendes Beispiel macht den Unterschied jedoch deutlich: Auch ein 5 jähriges Kind kann ein Erklärungsbote sein und kann einen Mietvertrag „unterschreiben“. Denn das Kind leitet als Bote nur eine Erklärung weiter. Es gibt keine eigene Erklärung ab. Der Vertrag wird damit nicht erst durch die Unterschrift des Boten geschlossen, sondern bereits in dem Moment, in dem der Vertragspartner seine Erklärung an den Boten gibt und die Erklärung zugeht. Man könnte auch sagen, der Bote übernimmt nur die Funktion von „Schallwellen“ durch die Luft, welche die Erklärung des Senders an den Empfänger weiterleiten. Damit wird aber letztendlich nur ein mündlicher Vertrag geschlossen. Der Bote ist damit nur ein Übertragungsmedium und gibt selbst keine Erklärung ab.
Im Gewerberaummietrecht hat der oben aufgezeigte Fehler fatale Folgen. Vermieter und Mieter sind in der Regel darauf angewiesen, das Mietverträge für eine lange Zeit geschlossen werden und nicht kurzfristig gekündigt werden können. Daher ist beim Vertragsschluss sehr genau darauf zu achten, dass die beiden Abkürzungen „i. V.“ und „i. A.“ nicht verwechselt werden, wenn nicht die Vertragspartner selbst unterschreiben.
Das Problem stellt sich auch bei Kündigungserklärungen. Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der schriftlichen Form. Daher ist eine Kündigung unwirksam, wenn die Erklärung nur von einem Boten („i. A.“) abgegeben wurde.
Zu beachten ist auch, dass einseitige Erklärungen von einem Vertreter („i. V.“), z.B. Kündigungserklärungen, zurückgewiesen werden können, wenn keine Originalvollmacht vorgelegt wurde. Eine Zurückweisung wegen fehlender Vorlage der Originalvollmacht hat die Unwirksamkeit der Erklärung (z. B. Kündigung) zur Folge. Allerdings muss die Zurückweisung unverzüglich erfolgen. Unverzüglich bedeutet ca. 1 Woche.