Wenn die Mietsache während der Mietzeit einen Mangel aufweist, ist die Miete gemindert. Es ist nicht erforderlich, dass der Mieter eine Mietminderung „beantragt„. Auch muss der Vermieter einer Mietminderung nicht zustimmen. Nach dem Gesetz ist die Miete aufgrund des Mangels automatisch gemindert. Die vertraglich vereinbarte Miete reduziert sich also sobald die Mietsache mit einem Mangel behaftet ist. Der Vermieter kann also nicht mehr die ursprüngliche Miete fordern, der Mieter muss sie nicht zahlen.
Um wie viel die Miete allerdings reduziert ist, steht in keinem Gesetz. Dies entscheidet letztendlich der Richter der ersten Instanz nach seiner freien Überzeugung. Er wird sich jedoch an anderen Gerichtsentscheidungen orientieren. Die Gefahr liegt also darin, dass man sich in der Höhe der Minderungsquote verschätzt.
Doch was passiert, wenn die Miete am Anfang des Monats vollständig gezahlt wurde und kurz darauf ein Mangel auftritt (z.B. die Heizung fällt aus oder es tropft durch das Dach)? Was passiert, wenn man in Kenntnis des Mangel aber in Unkenntnis der gesetzlichen Minderung die volle Miete weiter zahlt?
Grundsätzlich kann man etwas zurückfordern, was ohne Rechtsgrund gezahlt wurde (§ 812 BGB). Wurde die Miete vollständig gezahlt, obwohl die Miete aufgrund eines Mangels gemindert war, darf man diese „Überzahlung“ zurückfordern. Dies gilt zunächst für den Fall, wenn die Miete am Anfang des Monats gezahlt wurde und im Laufe des Monats ein Mangel auftritt.
Doch was passiert, wenn man in Kenntnis des Mangels die volle Miete gezahlt hat? Vielfach wird dann argumentiert, dass eine Rückforderung nicht möglich sei, wenn in Kenntnis des Mangels gezahlt wurde. Denn wer in Kenntnis der Nichtschuld zahlt, könne das Geleistete nicht zurückfordern (§ 814 BGB). Hierbei wird übersehen, dass die Miete meist zum Beginn des Monats gezahlt werden muss. Aber solange der Mieter nicht die Fähigkeit besitzt, in die Zukunft sehen zu können, wird man nicht behaupten können, der Mieter habe in Kenntnis des Mangels gezahlt. Auch wenn der Mangel schon im letzten Monat bestand.
Anders könnte es jedoch aussehen, wenn der Mangel für längere Zeit besteht und mit einer Beseitigung in naher Zukunft auch vom Mieter nicht gerechnet wird (z.B. unzureichende Heizung; durch Abnutzung in die Jahre gekommene Mietsache). Dann hätte der Mieter in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt und könnte das Geleistete nicht zurückfordern. Es wird daher vielfach empfohlen, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen.
Diese Empfehlung ist nicht schlecht. Aber es ist nicht immer gleich Hopfen und Malz verloren, wenn man die Miete nicht unter Vorbehalt gezahlt hat. Denn der aus § 814 BGB stammende Ausschluss setzt zweierlei voraus:
Vielfach dürfte nicht bekannt sein, dass die Miete durch einen Mangel kraft Gesetz automatisch reduziert ist. Fehlt diese Kenntnis aber, kann der Mieter die zu viel gezahlte Miete weiterhin zurückfordern. Bis zu allgemeinen Anspruchsverjährung, welche 3 Jahre beträgt.
Im vom Bundesgerichtshof am 04.09.2018 entschiedenen Fall (Az.: VIII ZR 100/18) entstand in der Wohnküche der Mietwohnung ein periodisch auftretender „muffiger Abwassergeruch“ in der Wohnküche. Die Mieter bemängelten seit 2013 den fauligen Geruch, der manchmal so stark war, dass die Wohnküche nicht genutzt werden konnte. Der Geruch war sonst mal mehr mal weniger stark ausgeprägt. Der Vermieter schaffte es über Jahre nicht, den Geruch zu beseitigen. Das Berufungsgericht sprach eine Minderung von 10 Prozent durchgehend zu. Dabei berücksichtigte es, dass der Geruch lediglich wiederkehrend, mal intensiver, mal nicht so intensiv war. Eine taggenaue Berechnung der Minderung sei nicht erforderlich. Für den Bundesgerichtshof stand zudem fest, dass die Mieter in ihrer Laienssphäre nicht die rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben, dass die Miete nicht gezahlt werden müsste, da sie gesetzlich gemindert war. Daher waren die Mieter mit der Rückforderung der Überzahlung nicht ausgeschlossen.
Für die Praxis:
Wenn Anwälte empfehlen, die Miete nur noch unter Vorbehalt zu zahlen, ist dies notwendig und richtig. Denn in diesem Fall dürfte bei der nächsten Mietzahlung bekannt sein, dass ein Mangel besteht und das die Miete gemindert und somit nicht voll gezahlt werden muss. Ab hier hilft dann in der Tag nur noch eine Zahlung unter Vorbehalt. Wer den Mangel und die Rechtslage der Mietminderung kennt, muss unter Vorbehalt zahlt, will er das zu viel gezahlt zurückfordern.
Wer aber in Kenntnis des Mangels, aber in Unkenntnis der gesetzlich eingetretenen Minderung zahlte, dürfte auch weiterhin einen Anspruch auf Rückzahlung haben. In der Vergangenheit wurde die Notwendigkeit einer Vorbehaltszahlung von den Amtsgerichten daher zumeist zu schnell gefordert und eine Rückforderungsanspruch zu schnell abgelehnt. Dies hat der Bundesgerichtshof nun nochmals klar gestellt.