1. Dem Mieter steht kein Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung wegen besonderer Härte zu, wenn auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorlagen.
2. Auch wenn die fristlose Kündigung nicht ausgesprochen wurde, steht dem Mieter kein Widerspruch gegen eine ordentliche Kündigung wegen besonderer Härte zu.
3. Wird die fristlose Kündigung durch Schonfristzahlung unwirksam, steht dem Mieter weiterhin kein Widerspruch gegen die verbleibende ordentliche Kündigung wegen besonderer Härte zu.
BGH, Urt. v. 01.07.2020, Az.: VIII ZR 32/18
Der Mieter einer Wohnung geriet in Zahlungsverzug in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten. Der Vermieter kündigte hierauf das Mietverhältnis aufgrund des eingetretenen Zahlungsverzuges außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Kündigungstermin. In der Folgezeit erhöhte sich der Mietrückstand weiter auf insgesamt über vier Monatsmieten. Da der Mieter nicht freiwillig auszog erhob der der Vermieter hierauf Räumungsklage. In der Klageschrift kündigte der Vermieter erneut das Mietverhältnis wegen des weiteren Zahlungsrückstandes außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächst möglichen Kündigungstermin.
Das Jobcenter zahlte noch innerhalb der Schonfrist die Mietrückstände vollständig. Damit wurde die fristlose Kündigung unwirksam Hierauf erhob der Mieter nunmehr Widerspruch gegen die verbleibende ordentliche Kündigung gem. § 574 Absatz 1 BGB und verlangte die Fortsetzung des Mietverhältnis. Den Widerspruch stützte der Mieter auf eine durch die ordentliche Kündigung entstehende besondere Härte. Aufgrund des langen Mietverhältnisses sei er in der Umgebung stark verwurzelt, es fehle an einer Ersatzwohnung und für die beiden Kinder sei ein Umzug aufgrund bestehender Entwicklungsauffälligkeiten unzumutbar.
Der Vermieter widersprach der Fortführung des Mietverhältnisses und verlangte weiter die Verurteilung zur Räumung.
Mit Erfolg! Das Landgericht Berlin gab dem Mieter in zweiter Instanz zunächst noch Recht. Das Gericht entschied, dass dem Mieter gegen die ordentliche Kündigung ein Widerspruchsrecht wegen besonderer Härte zusteht. Der Mieter habe daher einen Anspruch auf Fortführung des Mietverhältnisses. Der Bundesgerichtshof widersprach dem Landgericht und hob dessen Urteil auf!
Grundsätzlich steht dem Mieter gegen eine ordentliche Kündigung (z.B. Eigenbedarfskündigung) ein Widerspruchsrecht wegen besonderer Härten zu. Es besteht aber kein Widerspruchsrecht mehr, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorliegen (z. B. wegen Zahlungsverzug oder Störung des Hausfriedens). Dabei ist es unerheblich, ob der Vermieter von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht. Es genügt allein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung vorliegen.
Auch wenn die fristlose Kündigung wegen Schonfristzahlung unwirksam wird, lebt ein Widerspruchsrecht nicht wieder auf. Das Mietverhältnis wird wegen des Zahlungsverzuges daher sein Ende finden.
Die Zahlungsverzugskündigung bleibt ein scharfes Schwert und zerschneidet die mietvertragliche Bindung zwischen Mieter und Vermieter. Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann auch die vollständige Zahlung der Rückstände innerhalb der Schonfrist eine wegen der Vertragsverletzung ausgesprochene ordentliche Kündigung in der Regel nicht beseitigt werden. Dem Mieter steht in diesen Fällen kein Widerspruchsrecht wegen besonderer Härten zu. Denn die schwere Vertragsstörung steht einer Fortsetzung des Mietverhältnisses grundsätzlich entgegen.
Häufig wird zudem übersehen, dass ein einmal entstandenes außerordentliches Kündigungsrecht auch nach Zahlung eines Teils des Rückstandes bestehen bleibt. Dies auch, wenn der verbleibende Teil weniger als eine Monatsmiete ausmacht. Der Vermieter bleibt auch dann grundsätzlich zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung berechtigt. Das Kündigungsrecht entfällt erst wieder, wenn alle Rückstände vor der Kündigungserklärung gezahlt wurden.
Bsp.: Es besteht im März ein Zahlungsrückstand von mehr als 2 Monatsmieten. Ende März zahlt der Mieter alle Rückstände bis auf eine halbe Monatsmiete zurück. Im April wird die laufende Miete bezahlt, es besteht aber noch ein Rückstand von einer halben Monatsmiete. Der Vermieter kann grundsätzlich weiter außerordentlich fristlos kündigen. Denn das im März einmal entstandene Kündigungsrecht besteht auch nach der teilweisen Zahlung fort.
Allerdings könnte je nach den Umständen des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters die Kündigung unverhältnismäßig sein. Die Gerichte werden in diesen Fällen also stets eine Einzelfallentscheidung treffen können. Es kommt daher stets auf die dem Gericht vorgelegten Argumente an.