Mietminderung bei Umgebungslärm?

In der Rechtsprechung war und ist die Frage, ab wann Lärm aus der Nachbarschaft zu einen Mietmangel führt und somit die Miete gemindert ist (sog. Umwelt- und Umfeldmängel) trotz einiger Klärungen weiterhin streitig. Allen Entscheidung liegt immer das gleiche Problem zu Grunde:

Die Parteien haben keine Vereinbarung über den Sollzustand der Mietsache in Bezug auf Geräuschimmissionen getroffen.

Was ist (un) geklärt?

Die Innenstadtlärm-Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 19.12.2012 VIII ZR 152/12 entschieden, dass durch straßenbaubedingte Umleitung entstehender Lärm kein Mangel ist, wenn sich die Wohnung in einer bestimmten Innenstadtlage und damit in einer Lage befunden hat, bei der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer zu rechnen ist. Mieter haben die mit den Arbeiten verbundene (erhöhte) Lärmbelastung redlicherweise hinzunehmen.

Diese Entscheidung hatte somit nur vorübergehende Umfeldmängel zum Gegenstand.

Diese Rechtsprechung macht jedoch keinen Sinn. Warum muss ein Bewohner in der Innenstadt vermehrt mit Straßenbauarbeiten im größeren Umfang rechnen als ein Bewohner auf dem Land? Auch im ländlichen Raum sind Straßensperrungen möglich. Dadurch kann es durch Umleitungen zu erhöhten Lärmbelästigungen in anderen Straßen kommen. Sowohl auf dem Land als auch in der Stadt ist mit Straßenbauarbeiten im größeren Umfang zu rechnen. Zudem gibt es auch in Innenstädten ruhige Straßen und weniger ruhige Straßen.

Dieser Entscheidung kann daher nicht grundsätzlich herangezogen werden, um bei vorübergehenden Umfeldmängeln in Innenstädten (etwa Baulärm) einen Mietmangel und damit eine Mietminderung von vornherein abzulehnen. Nach dieser Entscheidung muss auch bei fehlenden vertraglichen Vereinbarungen geprüft werden, ob mit konkreten Beeinträchtigungen aufgrund der Lage gerechnet werden musste.

Die TA-Lärm Entscheidung

Mit Urteil vom 23.09.2009 (Az.: VIII ZR 300/08) entschied der Bundesgerichtshof, dass eine von technischen Geräten ausgehende Störung (im entschiedenen Fall: Lärm) kein Mangel für ein Mietverhältnis darstelle, wenn maßgebliche technische Normen eingehalten werden. Teilweise wird dieses Urteil so gewertet, das ein Mietmangel niemals vorliegen würde, wenn sich Störungen im Rahmen von technischen Normen (z. B. TA Lärm) halten würden.

In dem Fall ging es um eine nachträglich vom Vermieter eingebaute Entlüftungsanlage für ein im Erdgeschoss gelegenen Restaurant. Bei der Anmietung der Wohnung war die Entlüftungsanlage nicht vorhanden. Sie wurde erst später im Lichthof des Gebäudes installiert. Die Mieter führten an, dass in der Wohnung Geräusche von der Anlage zu hören seien sowie auf einer Freifläche, die von der Wohnung aus betreten werden konnte und von den Mietern als „Terrasse“ genutzt wurde, obwohl es für die Nutzung der Freifläche als Terrasse keine vertragliche Vereinbarung gab.

Das Gericht stellte fest, das es sich bei sämtlichen zum Lichthof gelegenen Räumen um Funktionsräume handele (Bad, Küche) und auch die Freifläche niemals als (zur Erholung dienende) Terrasse vermietet wurde. Auch werde ein Lichthof typischerweise dazu genutzt, um strassenseitig unzulässige oder sonst aus nachvollziehbaren Gründen unerwünschte haustechnische Anlagen einschließlich ihrer lüftungstechnischen Ver- und Entsorgungsleitungen entsprechend den Nutzungserfordernissen der jeweiligen Mitmieter aufzunehmen. Bei den Funktionsräumen sind an die Hinnehmbarkeit von Geräuschimmissionen nicht so hohe Anforderungen zu stellen wie bei Wohn- und Schlafräumen.

Der Bundesgerichtshof hat somit nicht entschieden, dass in jedem Fall ein Mietmangel ausgeschlossen sei, wenn sich die Störungen im Rahmen der maßgeblichen technischen Normen halten. Daher wird dieses Urteil des Bundesgerichtshofs häufig fehlerhaft zitiert. Ein Mangel und damit eine Mietminderung kommen somit weiterhin in Betracht, auch wenn sich die Störung im Rahmen der maßgeblichen technischen Normen hält.

Die Bolzplatz-Entscheidung

In seine Entscheidung vom 29.4.2015 (Az.: VIII ZR 197/14), der sog. Bolzplatzentscheidung, urteilte der Bundesgerichtshof nunmehr, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Kann der Vermieter also selbst keine nachbarschaftlichen Abwehransprüche gegen der Verursacher geltend machen, kann auch der Mieter die Miete nicht mindern, da kein Mangel vorliegt.

Eine Störung durch Geräuschimmissionen Dritter ist nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen, wenn der Eigentümer oder Vermieter selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden muss.

Die Bolzplatzentscheidung hatte eine dauerhafte Umfeldveränderung zum Gegenstand.

Auch diese Entscheidung stößt auf Kritik ( LG Berlin Urt. v. 12.07.2018, Az.: 67 S 105/18).  Die Entscheidung soll nicht auf vorübergehende Umfeldveränderungen übertragbar sein. Soweit die Entscheidung auf Zustimmung stößt (AG München, Endurteil vom 18.09.2014, Az.:  417 C 12574/14) wird verlangt, das der Vermieter darlegt und notfalls beweist, dass er keinen Anspruch gegen den Störer gem. § 906 BGB hat.

Ist nun alles wieder offen?

Alle Gerichtsentscheidungen zeigen, dass  Rechtsstreitigkeiten betreffend Umfeldveränderungen Einzelfallentscheidungen sind. Es lässt sich daher nicht pauschal beurteilen, ob Lärmstörungen durch Baumaßnahmen in der Nachbarschaft oder durch eine geänderte Verkehrsführung zu einem Mangel und damit zu einer Minderung der Miete führen. Baulärmfälle werden daher voraussichtlich auch weiterhin die Instanzgerichte beschäftigen. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof in naher Zukunft klare Leitlinien vorgibt.