Aufregung bei Vermietern und Euphorie bei Mietern von Gewerberäumen. In meiner Kanzlei häufen sich zurzeit telefonische Anfragen von Mietern und Vermietern. Kurz vor Jahresschluss soll ein neues Gesetz den Mietern von Gewerberäumen die Möglichkeit eingeräumt haben, wegen des „Corona Lockdowns“ einen Teil der monatlichen Miete zurückbehalten zu dürfen. Die Unwissenheit scheint groß! Hoffnungen vermischen sich mit Entsetzen!
Am 30.12.2020 wurde im Bundesgesetzblatt das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ verkündet und trat somit in Kraft. Durch das Gesetz wird das EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche) erweitert. Dort wird unter Art. 240 der neue § 7 eingeführt. Dieser regelt
§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
In vielen Publikationen im Internet verbreitet sich insbesondere unter Mietern von Gewerberäumen seither die Meinung, dass Mieten aufgrund Corona bedingter Betriebsschließungen nicht mehr gezahlt oder jedenfalls gekürzt werden können. Teilweise macht sich auch die Hoffnung breit, dass dies sogar rückwirkend für 2020 gelte.
Es dürfte als nahezu geklärt gelten, dass durch die Corona bedingten Betriebsschließungen in der Regel kein Mietmangel besteht. Daher ist die Miete auch nicht gemindert. Als letzter „Hoffnungsträger“ wird die Vorschrift § 313 BGB herangezogen, die sog. „Störung der Geschäftsgrundlage“. Hiernach soll der Mieter einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages haben. Hierdurch soll ein Anspruch des Gewerberaummieters auf Reduzierung der Miete für die Zeit bestehen, in der wegen der gesetzlichen Öffnungsverbote die betriebliche Tätigkeit des Mieters eingestellt werden musste.
Bei § 313 BGB handelt es sich um einen absoluten Ausnahmefall. Er soll daher nur im äußersten Fall zur Anwendung kommen, denn immerhin wird hiermit in die Vertragsvereinbarung eingegriffen. Es müssen hiernach 3 Voraussetzungen vorliegen:
Das Gesetz ist leider äußerst unbestimmt (schwammig). Letztendlich müssen Gerichte in jedem einzelnen Fall davon überzeugt werden, dass die Voraussetzungen vorliegen oder nicht vorliegen. Hierbei wird sich vor allem auch immer die Frage stellen, was Mieter oder Vermieter beweisen müssen. Wer trägt also die Beweislast?
Hier hat nun der Gesetzgeber teilweise eingegriffen. Durch das neue Gesetz hat er geregelt, dass bei der Beantwortung der Frage Nr. 1 widerlegbar vermutet wird, dass sich die Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben.
Die weiterhin noch offenen Fragen Nr. 2 und Nr. 3 müssen auch weiter nach der bisher geltenden Rechtslage beantwortet werden. Es hat sich hier daher nichts geändert!
Leider ist die aufgekommene Euphorie nicht angebracht. Bei dem Gesetz handelt es sich um ein „Torschlussgesetz“ in letzter Sekunde, was leider als nicht ausgereift, nicht durchdacht zu werten ist und keinesfalls die gewünschte Rechtssicherheit herbeiführen wird.
Das Gesetz ist ein „legislativer Griff ins Leere“ (Brinkmann/Thüsing; NZM 2021, 5).
Natürlich haben sich wesentliche Umstände schwerwiegend geändert (Frage 1). Die Beantwortung dieser Frage war in der Vergangenheit daher auch das kleinste Problem gewesen. Zudem hat der Gesetzgeber die Frage auch nicht beantwortet. Er hat nun lediglich dem Vermieter die Pflicht auferlegt, die Antwort auf die Frage zu widerlegen.
Die Hauptprobleme bei der Anwendung der Norm liegen aber weiterhin bei der Beantwortung der Fragen Nr. 2 und Nr. 3. Und dies ist rechtlich bisher von den Gerichten auch noch nicht geklärt. Hätten Vermieter und Mieter einen anderen Mietvertrag vereinbart, wenn man sich bereits Gedanken über eine weltweite Pandemie gemacht hätten?
Ist dem Mieter es nicht mehr zumutbar am Vertrag festzuhalten, also die volle Miete zu zahlen? Hat der Mieter daher nun einen Anspruch auf Änderung des Vertrages? Und wenn ja, welche Änderung kann verlangt werden? Reduzierung der Miete und wenn ja um wie viel Prozent? Hat sich der Mieter staatliche Unterstützungsleistungen anzurechnen? Muss der Mieter sich entgegenhalten lassen, dass er andere Vertriebskanäle hätte nutzen müssen („Internetverkauf“, „Click & Buy“)?
Der Eingriff des Gesetzgebers hat faktisch zu keinen Änderungen geführt! Die zu beantwortenden Fragen bleiben die Gleichen. Falsch ist daher die nunmehr weit aufkommende Meinung, dass der Gesetzgeber zu Gunsten der Gewerberaummieter eine Reduzierung der Miete beschlossen habe! Ein Automatismus findet daher weiterhin nicht statt.
Vieles spricht auch gegen eine Rückwirkung des Gesetzes auf Fälle im Jahr 2020. Eine solche Rückwirkung ist mit dem Grundrecht kaum vereinbar. Da der Gesetzgeber aber ohnehin die Rechtslage nicht geändert hat, kommt es kaum darauf an, ob das Gesetz rückwirkend für 2020 gilt.
Neue Wege müssen beschritten werden“ Wenn sich Mieter und Vermieter nicht einigen können, bleibt nur der Weg zu den Gerichten, mit nicht unvorhersehbaren Ausgang. Der Eingriff des Gesetzgebers hat die streitigen Rechtsfragen nicht geklärt. Die strittigen Fragen werden weitehrin Gerichte klären müssen. Alle Entscheidungen werden absehbar zudem nur Einzelfallentscheidungen sein, die voraussichtlich eine branchenübergreifende Klärung der Rechtsfragen nicht herbeiführen können. Denn die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird für einen Frisörbetrieb anders ausfallen als für ein Gastronomiebetrieb.