Rückwirkende Mietminderung

Kann die Miete für die Vergangenheit gemindert werden, obwohl der Mieter den Mangel kannte und die Miete dennoch vorbehaltlos gezahlt hat?

 

Ja, wenn dem Mieter nicht bekannt war, dass die Miete kraft Gesetzes gemindert war!

 

Was war geschehen?

 

In der Mietwohnung war seit Januar 2013 ein regelmäßig wiederkehrender fauliger Geruch aufgetreten. Die Mieter zeigten dem Vermieter den Mangel an, zahlten die Miete aber vollständig weiter. Im Oktober/November 2015 baten die Mieter ihre Vermieterin mehrfach vergeblich um Zustimmung zur Mietminderung. Erst im Dezember 2015 wurde der Mangel behoben. Die Mieter vertraten die Ansicht, dass ihnen ein Rückforderungsanspruch wegen der zu viel gezahlten Miete zustehen würde. Hierbei zogen die Mieter eine Minderung von 15 Prozent heran. Sie erklärten die Aufrechnung hiermit mit ausstehenden 3 Monatsmieten, die noch nicht gezahlt waren. Das Berufungsgericht befand nur eine Mietminderung von 10 Prozent für angemessen. Darüber hinaus erachtete es die Aufrechnung wegen der in der Vergangenheit zu viel gezahlten Miete für rechtmäßig. Denn die Miete war in der Vergangenheit gemindert. Die Mieter konnten daher die zu viel gezahlte Miete zurückfordern.

Wie entschied der Bundesgerichtshof?

 

In seiner Entscheidung vom 04.09.2018 (Az.: VIII ZR 100/18) gab der BGH den Mietern recht.

Auch wenn die Mieter die Miete nicht unter Vorbehalt und in Kenntnis des Mangels in der Vergangenheit vollständige gezahlt hatten, konnten sie den überzahlten Teil der Miete zurückverlangen.

Es müssen grundsätzlich 2 Voraussetzungen vorliegen, damit eine Rückforderung ausgeschlossen ist:

 

  1. Der Mieter zahlt in Kenntnis des Mangels vorbehaltlos die volle Miete, obwohl diese gemindert ist

und

  1. Dem Mieter war bei der Zahlung bekannt, dass die Miete kraft Gesetzes gemindert ist, also nicht von einer Zustimmung des Vermieters abhängt.

 

Zwar lag die erste Voraussetzung vor. Allerdings war den Mietern offensichtlich nicht bekannt, dass die Miete kraft Gesetzes durch den Mangel bereits gemindert war und es daher keiner Zustimmung für eine Mietminderung bedurfte. Die Mieter gingen tatsächlich davon aus, dass sie verpflichtet gewesen waren, die Miete vollständig zu zahlen. Die Mieter unterlagen daher einem Rechtsirrtum. Beweisen konnten die Mieter dies durch die E-Mails, in denen sie um Zustimmung der Mietminderung baten.

Der rechtliche Hintergrund

Viele Mieter wissen nicht, dass durch einen Mangel der Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete automatisch gemindert ist. Dies ist in § 536 BGB geregelt. Ist die Mietsache mangelhaft und hat der Vermieter davon Kenntnis, kann er ab diesem Moment daher nicht mehr die volle Miete verlangen. Eine Zustimmung zur Mietminderung ist daher auch nicht erforderlich. Sobald ein Mangel auftritt, ist die Miete auch gemindert.

Bezahlt der Mieter daher die vollständige Miete, zahlt er zu viel und der Vermieter erhält einen entsprechenden Anteil der Miete ohne Rechtsgrund und muss diesen wieder zurückzahlen. Nur wenn der Mieter weiß, dass er gerade zu viel zahlt obwohl er dies nicht müsste, ist er mit einer Rückforderung später ausgeschlossen.  Dies regelt § 814 BGB:

Wer in Kenntnis der Nichtschuld zahlt, kann das geleistete nicht mehr zurückfordern.

Hier gilt somit ausnahmsweise: Unwissenheit schützt vor Strafe (hier: Rechtsverlust)!

Für die Praxis

 

Wenn Sie diesen Artikel gelesen haben, können Sie zukünftig keine Miete mehr zurückfordern, wenn Sie in Kenntnis eines Mangels weiterhin die volle Mietzahlung leisten. Sie müssen daher unbedingt die Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung leisten!

Vermieter wiederum können durch entsprechende Aufklärung über diese Rechtslage, z.B. im Mietvertrag oder ein Informationsschreiben, ebenfalls dafür sorgen, dass eine „rückwirkende Mietminderung“ nicht mehr möglich ist.

Falsch ist jedenfalls die Behauptung vieler Rechtsberater, aber auch Gerichte, dass eine Zahlung bei einem Mangel immer unter Vorbehalt geleistet werden muss und damit eine rückwirkende Mietminderung abgelehnt wird. Nochmals: Wer das Recht kennt, muss unter Vorbehalt zahlen. Wer das Recht nicht kannte, kann auch ohne Zahlungen unter Vorbehalt die Mieten zurückfordern.

Im Gewerberaummietrecht gelten jedoch andere Regeln! Hier muss der Mietvertrag genau gelesen werden, denn oft wird dort ein Ausschluss für eine Mietminderung geregelt. Damit wird allerdings voraussichtlich eine „rückwirkende“ Mietminderung immer möglich sein. Geminderte Mieten könnten daher bis zur Verjährung nachträglich zurückgefordert werden.