1. Der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt die Beschlusskompetenz zur Einführung von Vertragsstrafenregelungen per Mehrheitsbeschluss.
2. Ein Mehrheitsbeschluss, mit welchem eine Vertragsstrafenregelung eingeführt werden soll, ist nichtig.
3. Verstößen gegen die Hausordnung kann die Gemeinschaft durch einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch begegnen.
Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 01.10.2020, Az.: 2-13 T 64/20 (rechtskräftig). § 21 WoEigG, § 23 Abs. 4 WoEigG, § 27 WoEigG; BGH, Urteil vom 22. März 2019 – V ZR 105/18
Der klagende Wohnungseigentümer einer aus mehreren eigenständigen Hausanlagen bestehenden Gemeinschaft füttert auf seinem Balkon Vögel. Die übrigen Eigentümer des Hauses fühlen sich in dem ohnehin angespannten Gemeinschaftsverhältnis durch die angelockten Vögel und den hierdurch verursachten Beeinträchtigungen durch Vogelkot erheblich gestört. Nach der Gemeinschaftsordnung bildet jedes Haus eine Untergemeinschaft. Die Eigentümer der betroffenen Untergemeinschaft beschließen kurzerhand in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung die Ergänzung der Hausordnung. Darin wird geregelt:
„Das Füttern von Vögeln im Bereich der Untergemeinschaft … ist grundsätzlich verboten. Für jedes verbotswidrige Vogelfüttern ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 400 € an die Untergemeinschaft fällig. Sollten darüber hinaus auch noch Tauben gefüttert werden, kann jeder Bewohner dies bei der Stadtverwaltung … zur Anzeige bringen.“
Gegen diesen Beschluss erhebt der betroffene Eigentümer Beschlussanfechtungsklage und begehrt im Wege einer einstweiliger Verfügung für die Dauer der Beschlussanfechtungsklage die einstweilige Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses.
Mit Erfolg! Die Einführung einer Vertragsstrafenregelung durch die Untergemeinschaft ist nicht nur rechtswidrig. Sie ist auch evident nichtig. Das Wohnungseigentümergesetz bietet keine Beschlusskompetenz mit Mehrheitsbeschluss eine Vertragsstrafenregelung einzuführen.
Dies galt bereits in der alten Fassung des WEG und gilt auch weiterhin in der neuen Fassung seit 01.12.2020. Der in dem Regierungsentwurf zur Änderung des WEG noch enthaltene Vorschlag zur Regelung der Einführung von Vertragsstrafen fand ausdrücklich keine Mehrheit im Bundestag.
Auch durch das seit dem 01.12.2020 geänderte Wohnungseigentümergesetz ist die Einführung von Vertragsstrafen durch Mehrheitsbeschluss nicht möglich. Wollen die Eigentümer dennoch eine Vertragsstrafenregelung einführen, ist dies grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung möglich. Hieran müssen aber alle Eigentümer mitwirken, was in der Praxis jedoch nur schwer möglich sein dürfte.
Die Gemeinschaft ist aber nicht schutzlos. Verstößen gegen die Hausordnung kann die Gemeinschaft durch einen sog. vorbeugenden Unterlassungsanspruch begegnen. Auf dieser Grundlage kann die Gemeinschaft ein gerichtliches Ordnungsgeld gegen den störenden Eigentümer verhängen lassen.
Die Wohnungseigentümer können Nutzungsregelungen, wie etwa zur Tierhaltung oder Taubenfütterung, in der Hausordnung weiterhin mehrheitlich beschließen. Auch ein Verbot der Vogelfütterung auf Balkonen kommt in Betracht, soweit hierdurch Beeinträchtigungen für andere Eigentümer verhindert werden sollen. Einer unzulässigen Vertragsstrafenregelung bedarf es in diesen Fällen zur Durchsetzung des Verbotes nicht.