Beleidigung

Wohnungskündigung bei Beleidigung

Ein Vertragsverhältnis zwischen zwei Menschen verlangt eine besondere Rücksichtnahme und gegenseitigen Respekt. Dies gilt insbesondere auch bei einem Mietverhältnis. Zwar darf man auch innerhalb eine Vertragsverhältnisses seine Meinung sagen. Doch Zurückhaltung ist bei Beleidigungen geboten. Denn wenn die gegenseitige Rücksichtnahme und der gegenseitige Respekt zu dem Vertragspartner verloren gehen, kann dies schnell die Kündigung zur Folge haben. Für Mieter bedeutet dies schnell den Verlust der Wohnung! Jedenfalls befindet man sich dann schnell in einem Rechtsstreit mit seinen Vermieter.

 

Was war geschehen?

 

Ausgangspunkt des Rechtsstreites vor dem Amtsgericht Rüsselsheim (Urt. v. 08.06.2022, Az.: 1 C 1046/21) war ursprünglich ein Konflikt zwischen dem beklagten Mieter und den übrigen Bewohnern (Wohnungseigentümern) in dem Haus. Dem Mieter wurde vorgeworfen, dass er einen anderen Bewohner in dem Haus körperlich angegriffen haben sollte. Der Vermieter war hieran zunächst unbeteiligt, musst aber aufgrund der Vorwürfe handeln. Denn der Vermieter muss keine eine Störung des Hausfriedens nicht dulden und vor allem keine körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Mieter und anderen Bewohnern.

 

Körperliche Angriffe rechtfertigen Kündigung

 

Ein körperlicher Angriff bzw. eine Nötigung oder eine schwere Beleidigung durch einen Mieter stellt auch bei gebotener Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2016 – VIII ZR 73/16) und Abwägung der beiderseitigen Interessen ein solches Verhalten dar, welches es für den Vermieter nicht mehr zumutbar macht, am Mietvertrag weiter festzuhalten (Vgl. LG Berlin, Beschluss vom 26.06.2008, Az. 67 S 337/07; Bieber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 543 Rn. 12; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 569 BGB Rn. 187 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr.). Sowohl die körperliche Unversehrtheit als auch die persönliche Ehre stellen wichtige Schutzgüter der Rechtsordnung dar. Ein Vermieter muss sich daher darauf verlassen können, dass diese durch seinen Mieter nicht verletzt werden. Umgekehrt ist es einem Vermieter daher nicht zumutbar, ein Mietverhältnis mit einem Mieter fortzusetzen, der derartige Verletzungen begeht.

Die Folge der Körperverletzung war eine Kündigung des Mietverhältnisses. Da der Mieter nicht freiwillig auszog wurde Räumungsklage erhoben.

Während des Rechtsstreites eskalierte die Situation weiter und der Mieter begann nun seinen Vermieter zu beleidigen. Schriftlich per Nachrichtendienst WhatsApp warf der beklagte Mieter seinem Vermieter und Vertragspartner nunmehr vor, nicht ausreichend hinter ihm zu stehen. Tatsächlich sei es wohl so, dass er (der Vermieter)

mit denen unter einer Decke“ stecke und wohl auch „ein Feind sei“.

Zudem stünde er (der Mieter) im Gegenteil zu dem Vermieter zu seinem Wort und auch dahinter.

Keine 15 Minuten später erfolgte eine weitere Nachricht an den Vermieter. Darin erklärt der Mieter:

achsoo… und weil ich nicht so ein verlogener verheuchelter hurensohn bin…

Der Vermieter nahm diese Nachricht zum Anlass, dass Mietverhältnis während des Rechtsstreites erneut außerordentlich fristlos und ordentlich zum nächsten Termin wegen der Beleidigung als „verlogener verheuchelter hurensohn“ zu kündigen. Dabei handelte es sich um eine sog. Prozesskündigung.

 

Wie entschied das Gericht?

 

Der Mieter versuchte sich noch in dem Verfahren damit zu rechtfertigen, dass er ja nicht seinen Vermieter als „verlogenen verheuchelten Hurensohn“ bezeichnet habe. Er  habe damit doch nur zum Ausdruck bringen wollte, dass er selbst kein verlogener verheuchelter Hurensohn sei. Er habe nicht seinen Vermieter als „verlogener verheuchelter Hurensohn“ bezeichnet.

Das Gericht sah dies anders!

Nach Ansicht des Gerichts hatte der beklagte Mieter im Umkehrschuss seinen Vermieter direkt als verlogenen verheuchelten Hurensohn bezeichnet. Damit hat der Mieter seinen Vermieter beleidigt. Das Gericht sah hierin sogar eine strafbare Beleidigung.

Beleidigungen des Vermieters sind eine Vertragspflichtverletzung. Sie berechtigen den Vermieter zur Kündigung, wenn die Beleidigung schwerwiegend und ungerechtfertigt ist.

Die Bezeichnung des Vermieters als verlogenen verheuchelten Hurensohn ist bei weitem nicht mehr als sachliche oder scharfe Kritik am Vermieter anzusehen. Aus Sicht des Gerichts handelt es sich bei der Bezeichnung „Hurensohn“ ohne Zweifel um mehr als nur eine bloße Unhöflichkeit. Die Bezeichnung als Hurensohn ist eine ehrverletzende Beleidigung von erheblichem Gewicht (so auch zu diesem Begriff AG Düsseldorf Urteil vom 11.07.2019 – 27 C 346/18).

Selbst wenn man die Worte des Mieters als „Meinungsäußerung“ ansehen würde, hatte er die Grenzen überschritten, welche ein Vermieter hinnehmen müsse.

 

Das Urteil

 

Da die ordentlich Kündigung wegen der Beleidigung rechtmäßig war, wurde der Mieter zur Räumung verurteilt. Zwar war nach Ansicht des Gerichts die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Da aber die Frist der gleichzeitig ausgesprochenen ordentlichen Kündigung während des Prozesses abgelaufen war, war das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung ebenfalls beendet worden. Der Mieter erhielt noch eine Räumungsfrist von drei Monaten. Über die ursprüngliche Kündigung musste das Gericht nicht mehr entscheiden.

 

Für die Praxis

 

Beleidigungen sollten besser nicht gegen den Vermieter ausgesprochen werden. Durchgehend sehen die Gericht bei schweren Beleidigungen einen Kündigungsgrund!

Während eines Räumungsrechtsstreites sollte man sich zudem noch weiter zurücknehmen! Schnell setzt der Mieter durch eine Beleidigung während des Prozesses einen neuen Kündigungsgrund. Auf die ursprüngliche Kündigung kommt es dann gar nicht mehr an. Das Gericht kann sich damit begnügen, die rechtlich einfacher zu begründende Kündigung für seine Entscheidung heranzuziehen.

Hätte das Gericht im vorliegenden Fall nur über die erste Kündigung entscheiden müssen, hätte das Gericht in eine Beweisaufnahme eintreten müssen. Es hätte alle Zeugen wegen der Körperverletzung vernehmen müssen. Der Rechtsstreit hätte sich erheblich verzögert. So konnte das Gericht aber den einfacheren Weg wählen. Denn die Beleidigungen waren schriftlich fixiert. Das Gericht musste nur noch entscheiden, ob die unstreitige Beleidigung eine Kündigung rechtfertigt oder nicht. Die Umstände der ersten Kündigung konnten vom Gericht vollständig ausgeblendet werden.