Wenn um das Thema „Grillen auf dem Balkon“ gestritten wird, sind häufig Mieter und Vermieter Parteien des Streits. Es findet somit zur Lösung des Rechtsstreites „Mietrecht“ Anwendung. Die gleiche Problematik betreffen aber auch zunehmend Eigentümer in Wohnungseigentumsanlagen. Die Anzahl der selbst bewohnten Eigentumswohnungen hat sich in den letzten 20 Jahren stets erhöht. Die Grillproblematik bewegt sich damit zunehmend in das Wohnungseigentumsrecht.
Das Wohnungseigentumsgesetz umfasst 49 Paragraphen. Darin muss das gesamte Zusammenleben und auch die Organisation der Wohnungseigentümergemeinschaft geregelt werden. Es ist schnell erkennbar, dass diese „kleine Gesetz“ daher nicht für jedes Problem eine Lösung anbieten kann. Das Wohnungseigentumsgesetz gibt daher im Ergebnis nur rudimentäre Lösungsansätze in Form eines Grundgerüstes vor. Die großen gesetzlichen Lücken müssen und werden daher von der Rechtsprechung gefüllt. Eine Kenntnis des Gesetzes zur Lösung von Problemen reicht damit alleine nicht aus. Die Kenntnis der Rechtsprechung ist ebenso wichtig, um zu durchsetzbaren Lösungsansätzen zu kommen.
Die in dem Gesetz vorhandenen großen Lücken haben allerdings auch zur Folge, dass gerichtliche Entscheidungen stets den Einzelfall betrachten und auch grundsätzlich nur für den Einzelfall eine rechtliche Lösung anbieten. Eine Übertragung der in den Urteilen der Gerichte enthaltenen Argumente auf andere Fälle ist daher nur möglich, wenn sich die Fälle wenigstens einigermaßen stark ähneln. Prognosen über den Ausgang von gerichtlichen Verfahren werden hierdurch in der Regel erschwert. Um die Prozessrisiken richtig einschätzen zu können braucht es daher umfassende Erfahrung im Wohnungseigentumsrecht.
Die Prüfung der Rechtslage zum Grillen führt zunächst in die Gemeinschaftsordnung. Die Gemeinschaftsordnung befindet sich meist direkt im Anhang zur Teilungserklärung und ist quasi die „Verfassung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Gemeinschaftsordnung können eine Vielzahl von Regelungen enthalten sein, an die sich alle Eigentümer halten müssen. Ältere Gemeinschaftsordnungen enthalten meist wenige Regelungen. Moderne Gemeinschaftsordnungen sind meist umfassender und verfügen teilweise auch bereits über Regelungen zum Umfang des Grillens auf dem Balkon oder der Terrasse.
An die Vorgaben in der Gemeinschaftsordnung zum Grillen könne und müssen sich die Mitglieder der Gemeinschaft halten. Es können dort Regelungen über ein vollständiges Grillverbot enthalten sein. Aber auch eine Einschränkung hinsichtlich der Art zu grillen (Elektro, Gas oder Kohle). Selten dürfte eine Regelung enthalten sein, die das Grillen vollständig und schrankenlos erlaubt. Nur in wenigen Ausnahmefällen könnten die Regelungen unwirksam sein. Dies muss immer gesondert geprüft werden.
Enthält die Gemeinschaftsordnung keine Regelung zum Grillen muss das Wohnungseigentumsgesetz zur Lösung herangezogen werden. Dreh- und Angelpunkt bildet hierbei § 14 WEG. Nach Absatz 2 gilt:
Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen.
Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes regelt hierfür:
Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, andere Einwirkungen auf das Sondereigentum und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
Es muss also zunächst geprüft werden, ob es Vereinbarungen oder Beschlüsse zum grillen gibt. Vereinbarungen sind im Grunde genommen Regelungen, denen wirklich alle Eigentümer ausnahmslos zugestimmt haben. Beschlüsse werden auf Eigentümerversammlungen mehrheitlich gefasst. Es kann manchmal schwierig sein sich ein vollständiges Bild über Vereinbarungen oder die Beschlusslage in der WEG zu verschaffen. Ein Blick in die Beschlusssammlung ist hierfür absolut erforderlich. Wenn die Gemeinschaft jedoch bereits mehrere Jahrzehnte existiert, kann die Beschlusssammlung, wenn denn eine solche geführt wurde, sehr umfangreich sein.
Gibt es keine Vereinbarungen oder Beschlüsse kommt nun die gesetzliche Regelung zur Anwendung. Hiernach darf das Grillen bei den anderen Eigentümern „keine Nachteile für ein geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus“ erzeugen. Man erkennt, dass diese Regelung äußerst ungenau ist. Wann wird das geordnete Zusammenleben gestört? Wann entstehen Nachteile in einem unvermeidlichen Maß?
Die Gerichte müssen also im Einzelfall klären, wann das Grillen bei den anderen Eigentümern einen Nachteil erzeugt, der das geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt.
Die Gerichte werden also stets den konkreten Fall betrachten und die in dem Verfahren von den Parteien vorgetragenen Argumente. Aufgabe des Anwaltes ist es also, alle Argumente, die für den Mandanten sprechen, zu finden und dem Gericht vorzutragen. Zudem muss der Anwalt die von der Gegenseite vorgebrachten Argumente entkräften.
Bevor allerdings ein Rechtsstreit begonnen wird, sollten die Erfolgsaussichten und die Prozessrisiken geprüft werden. Möglicherweise kann zudem bereits in einem frühen Stadium ohne ein gerichtliches Verfahren ein Kompromiss errungen werden.
Die Gerichte mussten sich in der Vergangenheit vermehrt mit dem Grillen auf Balkonen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft beschäftigen. Es ist dabei festzustellen, dass die Gerichte hierbei vermehrt eine Kompromisslösung suchen. Das Grillen wird also nicht vollständig verboten oder einschränkungslos erlaubt.
Das Landgericht München I hatte zuletzt in einem Urteil vom 01.03.2023 (Az.: 1 S 7620/22) sich für folgende Kompromisslösung entschieden:
Gegrillt werden darf nur maximal viermal im Monat. Es darf an einem Wochenende entweder nur am Samstag oder nur am Sonntag gegrillt werden. Wenn an einem Wochenende am Samstag gegrillt wurde, darf am nächsten Wochen nicht mehr am Samstag, sondern nur noch am Sonntag gegrillt werden und umgekehrt.
In dem vom Landgericht München entschiedenen Fall wurde Elektrogrill benutzt. Das Gericht hatte in dem Fall auch den Standort des Grills, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät ausdrücklich bei seinem Kompromiss berücksichtigt. Änderung der Sachlage würden also möglicherweise eine ganz andere Entscheidung zur Folge haben.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.04.2008 – 20 W 119/06) hatte entschieden, dass es von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängt, ob Grillen wegen Verstoßes gegen die Rücksichtnahmepflichten aus dem Wohnungseigentumsgesetz uneingeschränkt zu verbieten, zeitlich und/oder örtlich begrenzt zu erlauben oder ohne Einschränkung zu gestatten ist. Maßgebend für die Entscheidung sind nach dem Gericht insbesondere Lage und Größe des Gartens bzw. der sonstigen Örtlichkeiten, die Häufigkeit des Grillens und das verwendete Grillgerät. Das Oberlandesgericht hat zudem geurteilt, dass die Beurteilung der Sachlage in erster Linie dem Gericht der erstens Instanz obliegt. Nur bei Fehlern im Urteil darf die Entscheidung der Gerichte der ersten Instanz abgeändert werden. Es ist also nicht möglich, eine Entscheidung des sonst korrekt begründeten Urteils durch die Berufung ändern zu lassen, nur weil einem diese nicht passt.
Das Amtsgericht Halle (Saale) hatte per Urteil vom 11. Dezember 2012 (Az.: 10 C 1126/12) entschieden, dass im konkreten Fall zwischen März bis Oktober insgesamt in der Gemeinschaft drei Mal pro Monat gegrillt werden darf. Dies entspricht 24 Grillvorgängen, die auf die Parteien des Wohnobjekts aufzuteilen sind. Bei einer Gemeinschaft mit 6 Eigentümern darf hiernach jeder Eigentümer 4 X im Jahr grillen! Zudem muss das Grillen 24 Stunden vorher angekündigt werden.
Das Landgericht Stuttgart hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 (Az.: 10 T 359/96) das Grillen von mindestens dreimal im Jahr als völlig akzeptabel angesehen. Allerdings hatte es keine Entscheidung über die maximal zulässige Anzahl getroffen.
Viele Entscheidungen über die Häufigkeit des Grillens im Sondereigentum gibt es nicht. Die Rechtsprechung ist sehr uneinheitlich und die Gesetzeslage sehr ungenau. Zudem sind die Entscheidungen immer auf den Einzelfall bezogen und können kaum verallgemeinert werden.
Es kann allerdings stets gesagt werden, dass die Gerichte immer einen Kompromiss zwischen dem Recht zum Grillen und dem Recht der anderen, keinen Grillgeruch in der Wohnung haben zu müssen, abwägen. Auch wenn jedes Wochenende „durchgegrillt“ wird, dürfte dies eindeutig unzulässig sein. Es kommt aber darauf an, ob der Geruch in die anderen Wohnungen dringt. Denn bei den Entscheidungen geht es nicht um das Grillen an sich, sondern immer um Geruchsbelästigungen.
Wenn also keine Regelungen in der Gemeinschaftsordnung vorliegen oder Beschlüsse / Vereinbarungen Regelungen über das Grillen treffen, sollte stets ein Kompromiss angestrebt werden, mit dem alle leben können.