Erläuterungen zum Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 08.02.2019, Az.: 33 C 2802/18 (50)
Mit „ein wenig“ Überraschung liest sich das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 08.02.2019, Az.: 33 C 2802/18 (50), wenn es einem schwarz auf weiß vorliegt. Denn folgte man in den letzten Wochen der lokalen Berichterstattung in und um Frankfurt am Main musste man davon ausgehen, dass das Amtsgericht Frankfurt am Main in zwei (Muster)-Urteilen entschieden hatte, dass „Drogen-Dealern Wohnung fristlos gekündigt werden darf“, „Mietern bei vermutetem Drogenhandel gekündigt werden darf“ oder „Die Mietwohnung wegen Verdacht des Handelns mit Rauschgift gekündigt werden kann “. Hierbei wurde auf das o. g. Aktenzeichen des Gerichts ausdrücklich verwiesen.
Das mir nun vorliegende Urteil (Az.: 33 C 2802/18 (50)) bestätigt diese Pressmitteilung so ganz und gar nicht. Denn in dem Urteil heißt es gegensätzlich zur Berichterstattung: „Die Klage wird abgewiesen“ (hierzu sei angemerkt: Geklagt hatte der Vermieter und zwar auf Räumung). Mit anderen Worten: Ein Drogenhandel konnte nicht bewiesen werden und niemand ist in diesem Fall aus seine Wohnung geflogen.
Nun kann man den Redakteuren aber nicht alleine Schuld an der falschen Berichterstattung zusprechen, denn in die offizielle Pressemitteilung des Gerichts schlich sich offensichtlich ein kleiner Fehler ein. Da aber mehrere verschiedene Dezernate aktuell über ähnliche Fälle urteilen mussten, gab es möglicherweise in der Tat auch Urteil, die einer gleichgelagerten Räumungsklage stattgegeben haben. Daher sind die Pressemeldungen nicht gänzlich falsch.
Aber nun zu dem konkreten Fall:
Im Rahmen eines groß angelegten Polizeieinsatzes in Frankfurt am Main wurden in dem Zimmer des Sohnes der beklagten Mieter ca. 17g Marihuana gefunden sowie sechs Mobiltelefone. Gegenstand des Polizeieinsatzes und der Ermittlungen war die Aufklärung des „Verdachts des Handelns mit Betäubungsmitteln“ und nicht der „Verdacht des Drogenbesitzes zum Eigenkonsum„.
Der Polizeieinsatz konnte keine Hinweise darauf erbringen, das der Sohn der beklagten Mieter mit Drogen „aus der Wohnung“ gehandelt hatte oder mit anderen aus einer im Zusammenhang mit Drogenhandel verdächtigen Gruppe agiert hatte. Auch weitere Überwachungsmaßnahmen ergaben nicht, dass der Sohn der beklagten Mieter Drogen verkauft hatte.
In dem Rechtsstreit selbst behauptete aber die Klägerin aber, dass der Sohn der beklagten einer Gruppierung von Männern zuzuordnen sei, die in der streitgegenständlichen Siedlung Handel mit Betäubungsmitteln betrieben hatten. Die Klägerin behauptete weiterhin, dass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung der beklagten Mieter um eine sog. „Bunkerwohnung“ handeln würde.
Das Gericht gab der Räumungsklage der klagenden Vermieterin nicht statt. Zwar wäre eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich gewesen, wenn aus der Wohnung heraus mit Drogen gehandelt worden wäre. Die Ermittlungsberichte konnten jedoch nicht bestätigen, dass der Sohn der beklagten Mieter aus der Wohnung heraus mit Drogen gehandelt haben soll. Hierauf hatte sich die Klägerin aber maßgeblich gestützt. Letztendlich konnte die Klägerin damit nicht ausreichend vortragen, dass der Sohn der beklagten Mieter die Mietwohnung zum Drogenhandel benutzt hatte oder diese als Bunkerwohnung hierfür nutzte. Die klagende Vermieterin war aber in prozessualer Hinsicht verpflichtet gewesen, hierzu ausreichend vorzutragen.
Somit stand letztendlich lediglich fest, dass in der Wohnung ca. 17g Marihuana aufgefunden wurden. Das Gericht musste daher nun entscheiden, ob der Besitz dieser Menge eine Kündigung rechtfertigen kann.
Hierzu stellte das Gericht zunächst fest, dass es sich bei dieser Menge zwar nicht mehr um eine strafrechtlich geduldete „geringe Menge“ zum Eigenverbrauch handelte (dies sind Mengen bis ca. 6g). Allerdings könnte bei dieser Menge auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Marihuana allein dem Eigenverbrauch diente. Denn es wurde in der Wohnung der beklagten Mieter kein weiteres Verkaufszubehör wie Waagen oder Verpackungsmaterial gefunden.
Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, das allein der Besitz der o. g. Menge an Marihuana in der Wohnung kein Grund ist, das Mietverhältnis zu kündigen. Denn weder hatten sich andere Mieter über das Marihuana in der Wohnung beschwert (z.B. wegen Geruchsbelästigungen), noch sei die Mietsache hierdurch in Verruf geraten. Der Besitz der aufgefundenen Menge an Marihuana stellt zwar ein Verstoß gegen § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG dar. Dies führte aber im vorliegenden Fall nicht gleichsam zu einem Verstoß gegen Pflichten aus dem Mietvertrag. Da aber keine Verletzung vertraglicher Pflichten vorliegt, kann das Mietverhältnis nicht gekündigt werden. Somit wurde die Klage abgewiesen!
Die (Miet)-Wohnung ist zwar grundsätzlich geschützt. In den eigenen vier Wänden soll man sich frei entfalten können. Im vorliegenden Fall musste das Gericht den durch das Grundgesetz abgesicherten Schutz der Wohnung in seiner Entscheidung in die Abwägung der Interessen zwischen Mieter und Vermieter einfließen lassen. Solche Urteile erteilen aber keinen Freischein dafür, in der Mietwohnung nach Lust und Laune alles zu machen, was man will. Insbesondere sind solche Urteile daher nur schwer zu verallgemeinern. Einen korrekte Wiedergabe des Geschehens veröffentlichte übrigens die Frankfurter Rundschau.
Das Urteil finden Sie hier: http://mietrecht-frankfurt-am-main.de/wp-content/uploads/2019/02/33_C_2802-18.pdf