Schmerzensgeldbeträge sind in der deutschen Rechtsprechung traditionell gering bemessen, wenn denn überhaupt durch deutsche Gerichte ein Anspruch auf Schmerzensgeld zuerkannt wird. Die Rechtsprechung in den USA geht bei der Bemessung von Schmerzensgeldbeträge oft einen anderen Weg. Allerdings darf hierbei nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Recht der USA den sog. Strafschadensersatz kennt, welchen es in unserer Rechtsordnung in dieser Form nicht gibt. Erwähnenswert und bemerkenswert sind dann insbesondere Urteile, wenn im Mietrecht Schmerzensgeldbeträge zugesprochen werden.
Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dieser Grundsatz besagt, dass es allein staatliche Aufgabe ist, notfalls durch Zwang und Ausübung von Gewalt das Recht durchzusetzen. Nur bei Notwehr wird dem Bürger erlaubt, zur Durchsetzung und dem Schutz von Rechten „Gewalt“ auszuüben.
Die Räumung einer Wohnung ist verbunden mit Zwang und der Ausübung von Gewalt. Denn der Besitz des Mieters wird hierdurch gebrochen. Man spricht von der sogenannten Besitzkehr. Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, die ein Mensch über eine Sache ausübt. Es ist nicht erlaubt, den bereits erlangten Besitz durch eigenes Handeln einem anderen wieder „wegzunehmen“ (ausgenommen: Notwehr). Will der Eigentümer / Vermieter wieder den Besitz an seiner Wohnung erlangen, muss er ein Räumungsurteil erstreiten und nach erfolgreichem Verfahren den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragen.
Besitzkehr muss nicht durch die unmittelbare Gewaltausübung begangen werden. Häufig kommt es zu subtileren Handlungen, wie z. B. das Abstellen von Wasser, Heizung oder Strom. Dem Mieter soll hierdurch dazu bewegt werden, die Wohnung „freiwillig“ zu räumen. Hierbei spricht man von der sogenannten „kalten Räumung“. Die kalte Räumung ist rechtswidrig! Wer sich zu diesem rechtswidrigen Mittel entscheidet, muss nicht nur mit einer (stets erfolgreichen) einstweiligen Verfügung gegen sich rechnen. Auch Schadensersatzansprüche und sogar Schmerzensgeldansprüche drohen!
Zwar entsteht ein Schmerzensgeldanspruch gemäß § 253 Abs. 2 BGB dem Wortlaut nach nur für Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung. Die Rechtsprechung hat jedoch bereits frühzeitig den Anwendungsbereich ausgedehnt. Schmerzensgeldansprüche sollen daher auch entstehen, wenn Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22,23 KunstUrhG begangen wurden.
Es muss sich jedoch stets um eine schwere Beeinträchtigung handeln, die nicht anders ausgeglichen werden kann. „Liegt eine schwere Verletzung von Grundrechten vor und kann diese nicht anders ausgeglichen werden als durch die Gewährung von Schmerzensgeld, so ist § 253 Abs. 2 BGB so auszulegen, dass ein Schmerzensgeldanspruch über den Wortlaut hinaus zu gewähren ist.“ Allerdings sind die Hürden (bisher) hoch.
Einige Amtsgericht haben diese Rechtsprechung dazu genutzt, dem Mieter ein Schmerzensgeldanspruch bei einer kalten Räumungen zuzusprechen.
In der Entscheidung des Amtsgericht Reinbek (AG Reinbek, Urt. vom 20.05.2008, Az.: 5 C 624/06) kam der Mieter in Zahlungsverzug. Der Vermieter drohte die Kündigung und die eigenmächtige Räumung an. Da der Mieter die Wohnung nicht räumte, ließ der Vermieter die Wohnung öffnen. Er räumte alle Möbel heraus und vermietete die Wohnung sodann weiter. Die Vermieter gab die Wohnung nicht wieder heraus, obwohl der Mieter gegen ihn eine einstweilige Verfügung erwirkte. Der Mieter verlangte von einem Vermieter EUR 2.500,00 Schmerzensgeld wegen der erheblichen Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Verlust der Wohnung.
Das Amtsgericht gab dem Mieter Recht und verurteilte den Vermieter zu Zahlung.
In der Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg (AG Schöneberg, Urt. v. 14.08.2019, Az.: 6 C 276/18) erwirkte der Vermieter gegen den Mieter ein Urteil, zwecks Betretung seiner Wohnung. Der Vermieter vollstreckte das Urteil, während sich der Mieter im Krankenhaus befand. Die durch den Gerichtsvollzieher erfolgte Wohnungsöffnung nutzte der Vermieter jedoch dazu, die Wohnung zu räumen, die Schlösser auszutauschen und die Wohnung anderweitig nach Renovierung zu vergeben. Der Vermieter nutzte daher das von ihm erwirkte Urteil für völlig andere Zwecke. Der Mieter konnte nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus seine Wohnung nicht mehr öffnen, da der Schlüssel nicht passte. Eine vom Mieter erwirkte einstweilige Verfügung hatte keinen Erfolg, da die Wohnung bereits anderweitig vom Vermieter vergeben war.
Der Mieter verlangte nunmehr von seinem Vermieter Schmerzensgeld in Höhe von EUR 5.000,00 für den Entzug des Mietbesitzes.
Das Amtsgericht gab dem Mieter Recht!
Mit der Räumung der Wohnung hat der Vermieter nicht nur das Besitzrecht des Mieters, sondern auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Der Mieter hat durch das eigenmächtige Verhalten des Vermieters seinen langjährigen Lebensmittelpunkt verloren, an dem er über 30 Jahre seines Lebens verbracht hat. Der Vermieter hat in rechtswidriger Weise in den höchstpersönlichen und besonders geschützten Lebensbereich des Mieters eingegriffen.
Daher steht dem Mieter ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von EUR 5.000,00 zu.
Selbstjustiz wird in unserem Rechtsstaat nicht geduldet! Wer als Vermieter Räumung seiner Wohnung begehrt, muss hierfür einen Rechtsanspruch haben und diesen ggf. gerichtlich durchsetzen. Spricht das Gericht den Räumungsanspruch zu, muss das Urteil oder die gerichtliche Entscheidung durch den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Räumungsvollstreckung durchgesetzt werden. Die Missachtung dieses Rechtsweges kann erhebliche finanzielle und auch strafrechtliche Folgen haben.
Bisher gibt es nur wenige Entscheidung, die einen Schmerzensgeldanspruch für eine vom Vermieter selbst durchgeführte Räumung zusprechen. Es ist jedoch zu erwarten, dass andere Amtsgerichte dieser Entscheidung folgen werden. Die Messlatte wurde nun bei EUR 5.000,00 gesetzt. Höhere Schmerzensgeldbeträge sind daher nicht unwahrscheinlich. Zumal die Richter hiermit zum Ausdruck bringen werden, Selbstjustiz in einem Rechtsstaat nicht zu dulden.